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Viel Formel 1, noch mehr Hollywood

«Wir lieben es!», so hört man Amerikaner am Rand von Formel-1-Veranstaltungen inzwischen immer häufiger jubeln. So wie Amerikaner solche Dinge eben gerne mal schnell sagen. Echte Liebe, echte Leidenschaft? Das ist es in der Breite vielleicht noch nicht, zumindest nicht so wie in Europa oder Japan mit einer über viele Jahrzehnte gewachsenen F1-Fankultur. Und wenn zeitgleich mit dem Großen Preis von Amerika irgendein IndyCar-Rennen im TV läuft, ist nach wie vor auch klar, was die große Mehrheit einschaltet. Aber ein neuer US-Hype rund um die Königsklasse des Motorsports ist nicht zu leugnen. Da passt «F1 – Der Film» wunderbar ins Bild – ein benzingetränktes Action-Spektakel, das vor allem Fans von klassischem Hollywood-Kino «lieben» werden.

Die Netflix-Serie «Drive to Survive» erschloss für die Formel 1 in jüngerer Vergangenheit ein ganz neues Publikum, vor allem in Amerika. Nicht zufällig finden in dem Land, das vor 15 Jahren überhaupt nicht im Rennkalender war, inzwischen gleich drei Grand Prix pro Saison statt (Miami, Austin und Las Vegas). Was noch fehlt, wäre ein amerikanischer Top-Pilot auf der Strecke. In der echten Welt ist so einer derzeit nicht in Sicht. Aber auf der Kinoleinwand, wo man ja alles träumen darf, gibt es ihn jetzt: ein echter Asphalt-Cowboy, verkörpert von Brad Pitt.

Sonny Hayes fährt so Autorennen, wie Rambo gegen Terroristen kämpft

Der erste Auftritt von Sonny Hayes (Pitt) in diesem Film: Er pennt in einem abgeranzten alten Van, wird geweckt mit einem «Noch fünf Minuten!»-Zuruf, sichert seinem Team dann ganz cool den Sieg beim Langstreckenrennen in Daytona. Danach legt er sich wieder pennen in seinem abgeranzten alten Van. Sonny Hayes ist ein alter Rennsport-Haudegen, der so Autorennen fährt, wie John McClane und Rambo einst ihre Feinde bekämpften: krawallig, immer mit einem lässigen Spruch auf den Lippen und ohne Angst, sich die Finger schmutzig zu machen.

Wie alt Sonny genau ist, wird nicht gesagt, theoretisch müsste er aber schon stramm auf die 50 zugehen, mindestens (Pitt ist 61). In den 90-ern fuhr Sonny Hayes als aufstrebender junger Formel-1-Pilot gegen Schumacher und Senna, dann hatte er einen schlimmen Unfall und beendete seine F1-Karriere. Für kleine Gagen trat er später bei NASCAR-Rennen, in Le Mans und bei der Rallye Dakar an. Zu der Biografie, wie Autor Ehren Kruger und Regisseur Joseph Kosinski sie für Sonny entwarfen, gehören aber auch Glücksspielprobleme, Privatinsolvenz, annullierte Ehen und Taxifahrer-Jobs. Und genau dieser verlebte Typ, der seit über 30 Jahren in keinem Formel-1-Auto mehr saß, soll jetzt ein hoffnungsloses Hinterbänkler-Team nach vorne bringen.

In bislang drei Jahren Formel 1 konnte der Rennstall Apex GP (APXGP) keinen einzigen WM-Punkt einfahren, die Geduld von Vorstand und Investoren ist am Ende. Und so hat Teamchef Ruben Cervantes (Javier Bardem) einen klaren Auftrag für seinen alten Freund Sonny Hayes, den er unbedingt in eines seiner beiden Autos setzen will: In den verbleibenden neun Rennen der Saison muss unbedingt ein Sieg her, ansonsten ist APXGP am Ende und das Team wird verkauft. Sonny lacht Ruben zunächst aus, er sei der Falsche für den Job. Wenig später sitzt er aber doch im Flieger. In England trifft er dann auch seinen talentierten, aber noch sehr unerfahrenen und reichlich überheblichen Teamkollegen Joshua Pearce (Damson Idris). Es wird einige Male heftig krachen zwischen den beiden.

Für mehr Realismus: Lewis Hamilton als Berater

Wenn auf der Teststrecke erstmals der F1-Motor aufheult – das ist natürlich einer der Momente, auf die insbesondere das PS-begeisterte Publikum seit Jahren gewartet hat. Formel 1 mit Surround-Sound im Kino, in einem von Jerry Bruckheimer produzierten Film … man wird nicht enttäuscht. Bruckheimer arbeitete zuletzt schon gemeinsam mit Ehren Kruger und Joseph Kosinski an «Top Gun: Maverick», auch in «F1 – Der Film» setzten die Verantwortlichen auf echte, mitreißend inszenierte Action mit möglichst wenig CGI. Brad Pitt und Co-Star Damson Idris drehten viele Szenen in Formel-2-Autos, die optisch an die Formel 1 angepasst wurden. Vorab absolvierten die beiden etwa 6000 Testmeilen in verschiedenen Rennwägen.

Überhaupt wurde bei «F1 – Der Film» viel Wert auf Authentizität gelegt. Sonny Hayes und Joshua Pearce stehen in der Fahrerparade neben Verstappen, Leclerc, Sainz und weiteren echten Formel-1-Stars. Insbesondere während der Saison 2023 wurde an mehreren Rennwochenenden eine eigene Garage für APXGP eingerichtet, mit Autos, Mechanikern, Werkzeug und allem, was sonst noch dazugehört. Dieser besondere Zugang zur sonst nicht immer so zugänglichen Formel 1 wurde vor allem durch Lewis Hamilton ermöglicht. Der Siebenfach-Weltmeister gehört zum Produzententeam von «F1 – Der Film», brachte sich daneben aber auch als Berater ein, um mit seinem Insider-Wissen eine einigermaßen realistische Darstellung der Formel 1 zu gewährleisten.

Dass zwischendurch trotzdem mal richtiger Quatsch dabei ist, konnte Hamilton aber wohl doch nicht verhindern. Zum Beispiel, wenn Sonny in einem einzigen Rennen absichtlich drei Safety-Car-Phasen verursacht, damit Joshua immerhin mal einen ersten WM-Punkt einfahren kann. Im Film kommt APXGP damit durch. In der Realität käme man dem Halunken Sonny nach Auswertung der Fahrzeugdaten sofort auf die Schliche und würde ihn wegen Gefährdung und Rennmanipulation für mehrere Monate sperren, inklusive Punktabzug fürs Team. «F1 – Der Film», das ist dann doch eindeutig mehr Hollywood als echte Formel 1. Aber das ist auch gut so. Die echte Formel 1, niemand weiß das besser als die Fans, kann manchmal ja auch ganz schön langweilig sein.

4 comments

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Emma Schulz

Hochwertiger Inhalt, gefällt mir sehr

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Felix Neumann

Ausgezeichneter Beitrag, sehr aufschlussreich

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Tim Becker

Danke für die schnelle Information

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Tim Becker

Toller, vielen Dank

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