Lernort Stadion: Wie ein Fußballtempel zum Klassenzimmer für digitale Selbstreflexion wird
Wo sonst gejubelt, gestritten und geschwitzt wird, herrschte an diesem Donnerstag Nachdenklichkeit und Austausch: Das Stadion des Chemnitzer FC wurde zum Lernraum – genauer gesagt zum „Lernort Stadion“. In einem Pilotprojekt für Mittelsachsen nahmen 25 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Frankenberg an einem Workshop zum Thema „Soziale Medien“ teil. Es war nicht nur ein Ausflug in die Fankurve, sondern auch ein intensiver Blick in die digitale Lebenswelt einer ganzen Generation.
CFC als feste Anlaufstelle
„Wir leben in einer Welt, in der Likes oft mehr wiegen als echte Anerkennung“, sagt William Richter (15), einer der Teilnehmenden. „Hier im Stadion wird einem bewusst, wie schnell man sich online verliert – und wie gut es tut, darüber offen zu reden.“ Der Schüler besucht regelmäßig die Spiele des CFC, seit drei Jahren ist der Verein für ihn und seine Freunde eine feste Anlaufstelle. Dass ausgerechnet hier nun auch über Algorithmen, Bildschirmzeiten und digitale Verantwortung gesprochen wird, empfindet er als starke Botschaft: „Es macht einfach einen Unterschied, ob man in einem Klassenraum sitzt – oder dort, wo echte Emotionen passieren.“
Für Miro Nebe (15), ebenfalls CFC-Fan und aktiver Fußballer, war der Workshop nicht nur lehrreich, sondern motivierend: „Das Projekt ist besser als Schule – weil es praxisnah ist. Und weil wir das Gefühl haben, ernst genommen zu werden.“ Besonders wichtig findet er, dass Themen wie Gruppenzwang, Selbstdruck und digitale Pausen besprochen wurden – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern im Dialog.
Organisiert vom Kreissportbund Mittelsachsen gemeinsam mit dem Stadtsportbund Chemnitz, eröffnet das Projekt gezielt Schulen aus der Region neue Bildungsräume – fernab vom Klassenzimmer. „Das Stadion hat eine Symbolkraft“, erklärt Benjamin Kahlert, Geschäftsführer des KSB. „Hier geht es um Zugehörigkeit, Emotionen – und genau das nutzen wir, um echte Gespräche zu ermöglichen.“ Die Workshops beinhalten auch Stadionführungen und direkte Begegnungen – beim Auftakt etwa mit CFC-Sportdirektor Chris Löwe, der sich den Fragen der Jugendlichen stellte.
Finanziert durch DFL Stiftung
Finanziert wird das Projekt durch die DFL Stiftung, initiiert von der Robert Bosch Stiftung. Aktion Mensch unterstützte den Auftaktworkshop zusätzlich. Ab dem kommenden Schuljahr sind weitere Workshops zu Themen wie Suchtprävention, Gewalt und Medien geplant – immer im Stadion, immer auf Augenhöhe.
Fabienne Stoppel von der Sportjugend Mittelsachsen bringt es auf den Punkt: „Das Stadion ist nicht nur ein Ort des Spiels – es ist ein Ort, der bewegt. Und genau das brauchen wir, wenn wir junge Menschen wirklich erreichen wollen.“
Mit dem Start des Lernorts Stadion in Mittelsachsen ist ein mutiger Schritt gelungen – einer, der Bildung, Emotion und Lebensrealität miteinander verbindet. Und das in einem Raum, der für viele längst mehr ist als nur ein Fußballplatz.
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