Daran erkennen Sie einen richtig guten Wein
Was man unter einer guten Flasche Wein versteht, hängt davon, wen man fragt. Ein Sommelier wird eine andere Antwort geben als ein Laie, ein Weinliebhaber eine andere als ein Gelegenheitstrinker. Es gibt teure und berühmte Weine, prämierte und ausgezeichnete. Und einfach tolle Weine, die kein Vermögen kosten.
Natürlich spielt der persönliche Geschmack eine Rolle. Mögen Sie es eher schwer und vollmundig oder leicht und filigran? Die Frage lautet am Ende also: Welche Flasche ist für einen selbst eine gute Wahl? Mit diesem Überblick kommen Sie der Antwort näher.
Was zeichnet einen guten Wein aus?
Das ist fast schon eine philosophische Frage. Entsprechend vielfältig sind die Antworten der Weinexperten:
- «Wenn es ein Wein schafft, dass ich am nächsten Tag noch an ihn denke», sagt Anja Schröder, die in Berlin die Fachhandlung Planet Wein betreibt.
- «Guter Wein ist in sich ausgewogen und hat einen Nachhall», sagt Marc Almert, der 2019 als zweiter Deutscher die Weltmeisterschaft der Sommeliers gewonnen hat.
- «Früher sagte ich: Wenn er vielschichtig ist», erzählt Sommelière Natalie Lumpp, die durch viele Fernsehauftritte bekannt ist. «Heute ist für mich ein Wein gut, wenn man den Alkohol nicht dominant schmeckt.»
Woran erkenne ich einen Spitzenwein?
1. Berühmte Namen
Der einfachste Ansatz wäre, sich an die berühmten Namen zu halten. Icon Wines werden all jene altehrwürdigen Weine genannt, die oft als Statussymbol gekauft werden – oder als Geldanlage.
Aber Vorsicht: «Es ist ein Irrglaube, dass ein Wein für 200 Euro automatisch gut schmeckt», sagt Lumpp. Wie bei einem Mercedes bezahle man viel für die Marke, findet Anja Schröder.
2. Preis
Natürlich ist der Preis trotzdem ein Indiz. «Ein Wein, der 50 oder 60 Euro kostet, hat schon ein unfassbares Maß an Qualität», sagt Schröder. Die Topweine aus Burgund und Bordeaux können bis zu 100 Euro kosten. Danach passiere am Gaumen nicht mehr viel.
Sogar Discounter haben mittlerweile manchmal Weine der rund 200 Winzer im Regal, die sich im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) zusammengeschlossen haben. «Der VDP ist fast ein Garant für Qualität», sagt der Sommelier Silvio Nitzsche, Inhaber der «Weinkulturbar» in Dresden.
3. Beratung
Käufer im Supermarkt sind oft von der Auswahl überfordert. Natalie Lumpp empfiehlt deshalb, sich im Weinladen beraten zu lassen. «Der Geschmack ist unterschiedlich und verändert sich. Wer anfängt, will meist weiche, runde Rotweine.» Später schätze man Ecken und Kanten.
Tipp: «Suchen Sie sich einen Weinhändler und seien Sie ehrlich», rät Anja Schröder. «Sagen Sie ruhig: Ich habe keine Ahnung, hilf mir. Dafür sind wir da.»
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Ein guter Wein muss nicht teuer sein oder einen berühmten Namen tragen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-tmn
Was muss ich für einen guten Wein ausgeben?
Yvonne Heistermann, Präsidentin der Sommelier-Union Deutschland, ordnet die verschiedenen Preisklassen ein:
Unter 5 Euro: einfache Weine im Basissegment
Diese «Industrieweine» müssen in großen Mengen produziert werden, damit sich das Geschäft für alle Beteiligten lohnt «Da bleibt für die eigentliche Weinqualität nicht mehr viel übrig», sagt Heistermann.
Trotzdem werden diese Weine in Deutschland am häufigsten verkauft. Sie sollen der Masse schmecken. Zwei beliebte Beispiele:
- Grauburgunder (Pinot Grigio): «Wenig Säure, schön fruchtig, rundes Geschmacksbild, keine Ecken und Kanten», so die Expertin.
- Primitivo: «Vollmundig, aromatisch, nicht zu viele Tannine, ein bisschen Restzucker und ganz wichtig – eine kräftige, rote Farbe», sagt Heistermann. «Der letzte Italienurlaub im Glas.»
5 bis 10 Euro: Einstiegsweine mit Anspruch für den Alltag
Für 6 bis 7 Euro bieten bereits einige Weingüter teilweise sehr ordentliche Weine aus Deutschland im Discounter an. Aber: «Jeder zusätzlich investierte Euro führt in aller Regel zu erheblichen Qualitätssteigerungen im Wein», sagt Heistermann.
Die Sommelière rät trotzdem, vor Ort im Weingut zu kaufen. Dort bekomme man bereits schöne Alltagsweine ab 6 bis 7 Euro.
Mehr als 10 Euro: Gute bis sehr gute Weine
«10 Euro ist für viele Weinkäufer eine magische Schwelle», sagt Heistermann. Hier erhalte man deutlich höhere Qualitäten. Auch engere Herkünfte und Einzellagen spielten eine Rolle. «Die Weine in diesem Preissegment werden deutlich individueller und spannender.»
Mehr als 25 Euro: Weine für ganz besondere Anlässe
In diesem Preissegment werden die Weine der Expertin zufolge noch einmal deutlich individueller. Die Mengen sind viel geringer als bei den Einstiegsweinen. «Oftmals stehen besondere Lagen im Mittelpunkt, deren Charakteristiken im Wein unverwechselbar wiedergegeben werden.»
Für manche Etiketten bestimmter Weingüter wird ein Vielfaches bezahlt. «Natürlich stellt sich die Frage, ob man bei einem 1er Grand Cru Classé für 600 Euro das 20-fache an Genuss erleben kann im Vergleich zu einem Cru Bourgeois für 30 Euro», sagt Heistermann. «Das muss am Ende jeder für sich selbst herausfinden und bewerten.»
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Ist guter Wein auch eine Preisfrage? Jein. Foto: Ricarda Diekmann/dpa-tmn
Welche Auszeichnungen bürgen für Top-Qualität?
Einen weltweiten Wein-Oscar gibt es nicht, dafür aber «eher zu viele Wettbewerbe», findet Silvio Nitzsche.
Beispiele aus Deutschland:
- die Awards von Meininger
- Feinschmecker
- die Berliner Wein Trophy
Manche Wettbewerbe würden von Marketing-Agenturen veranstaltet, sagt Anja Schröder. Die Teilnahme kostet Geld. Im Gegenzug würden inflationär Goldmedaillen verliehen.
Seriöser sind laut Holger Schwarz, Inhaber der Weinhandlung Viniculture in Berlin, die englischsprachigen Weinmedien:
- Jancis Robinson
- Decanter
- Wine Spectator
- Wine Advocate
«Wenn man aus ihren Punkten einen Durchschnitt errechnet, bekommt man sicher einen für Geübte guten Wein», sagt Schwarz. Ob diese Weine einem Einsteiger schmecken, sei aber eine andere Frage.
Beim berühmten Weinkritiker Robert Parker beispielsweise müsse man wissen, dass dessen Herausgeber kraftvolle Bordeaux-Weine bevorzuge.
Auch die weitverbreiteten Falstaff-Punkte bildeten nur das Geschmacksurteil eines Verkosters ab, erklärt Nitzsche. «Eine hohe Punktzahl heißt nicht, dass der Wein jedem schmeckt.»
Marc Almert findet daher Noten aussagekräftiger, die von einer Jury aus mehreren Verkostern vergeben wurden – zum Beispiel die 100-Punkte-Skalen des britischen Weinmagazins Decanter oder das 20-Punkte-System des Vinum Profipanels.
Gut zu wissen: Titel wie Qualitätswein oder Prädikatswein «kann man knicken», sagt Holger Schwarz. Sie würden vor allem nach dem Mostgewicht vergeben, also dem Zuckergehalt der Trauben. Mehr als Mindestansprüche müssen die so geadelten Weine nicht erfüllen.
Ein Gütesiegel für deutsche Weine ist der Traubenadler des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). Er ist als Piktogramm auf die Kapsel aller Weine der rund 200 Mitglieder gedruckt.
Die vier Qualitätsstufendes VDP stehen auf der Kapsel. Aufsteigend haben sie die folgenden Namen und Beschreibungen:
- Gutswein: einfach gut
- Ortswein: aus den besten Weinbergen innerhalb eines Ortes
- Erste Lage: allesamt herausragend, markant und langlebig
- Große Lage: das Nonplusultra, Deutschlands absolute Spitze
Welche Rolle spielt der Jahrgang?
Grundsätzlich spiegelt ein Jahrgang den Wetterverlauf wieder. Wie liefen Blüte und Reife? Hatten die Rebstöcke genug Feuchtigkeit? Haben Schädlinge und Fäulnis Probleme bereitet?
Für Anja Schröder sind eine schöne Säure und Frucht sowie das Lagerpotenzial entscheidend. 2015 und 2018 beispielsweise seien extrem gute Jahre gewesen.
«Für den gewöhnlichen Weintrinker spielt der Jahrgang aber keine Rolle», sagt Yvonne Heistermann. Die Winzer von heute schaffen auch in schwierigen Jahren tadellose Weine. Nur bei oft älteren Spitzenweinen zählt auch der Jahrgang.
«Der überwiegende Teil der Weine, die heute am Markt erhältlich sind, ist nicht für die lange Lagerung gemacht», sagt Heistermann. «Die meisten, die ihren Lieblingswein gefunden haben, trinken sowieso jüngere Jahrgänge.»
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Viel ausprobieren ist wichtig, um die eigenen Vorlieben zu kennen. Foto: Anna Hirte/dpa-tmn
Wie werde ich zum Weinkenner?
Um einen guten Wein zu finden, muss man herausfinden, was einem wirklich schmeckt – und seine Sinne entsprechend trainieren.
1. Riechen
«Das Wichtigste ist, allgemein an seinem Geschmack und Geruch zu arbeiten», sagt Marc Almert. Den Geruch verwelkender Rosen zum Beispiel müsse man kennen, um ihn in einem Wein nachvollziehen zu können. Angeborenes Talent sei nicht entscheidend.
Zwar haben Menschen unterschiedlich viele Geschmacksknospen auf der Zunge, es gibt Superschmecker und Schmeckblinde. «Aber jeder, der zwischen Erbsen und Kartoffeln unterscheiden kann, schmeckt auch die Unterschiede zwischen Spätburgunder von der Ahr und Shiraz aus Australien», sagt Almert.
2. Probieren
Das beste Geschmackstraining sei bewusstes Trinken, sagt Silvio Nitzsche. Schmeckt eine Rebsorte, sollte man diese aus verschiedenen Ländern probieren. Und sich dann von Rebsorte zu Rebsorte hangeln.
Manche Rebsorten wie Chardonnay oder Cabernet Sauvignon könnten sehr verschieden schmecken, erklärt Almert. Je mehr Weine von der gleichen Sorte man probiere, desto leichter bemerke man die Unterschiede.
3. Austauschen
Wer seinen eigenen Geschmack kennt, kann einem Weinkritiker mit ähnlichen Präferenzen folgen. Silvio Nitzsche empfiehlt zudem, sich Verbündete zu suchen, zum Beispiel über soziale Medien. Und sich dann über Weine zu unterhalten. «Es ist wichtig, seinen Geschmack in Worte zu fassen und von den Wahrnehmungen anderer zu lernen.» Entscheidend seien dabei Mut und Freigeistigkeit.
Ein weiterer Vorteil: Man kann der Weinhändlerin oder dem Sommelier im Restaurant genau sagen, was man möchte.
Wie sinnvoll sind Weinseminare?
Besonders in Großstädten werden Seminare zu Rotweinen, Weißweinen und Schaumweinen, zu Wein und Käse oder Wein und Schokolade angeboten. Für Anfänger können sie ein guter Einstieg sein.
Beim Grundkurs der Weinschule Einfach geniessen in München beispielsweise raten die Teilnehmer anfangs Düfte aus sechs verschiedenen Gläsern. Alle seien typische Weinaromen, erklärt der Seminarleiter und Winzer Andreas Slepitzka:
1. Süßholz wie bei gereiften Weißweinen
2. Wacholder wie bei Syrah
3. Himbeere wie beim Spätburgunder
4. Paprika wie bei Cabernet Sauvignon
5. Mango wie bei Weißweinen aus warmen Ländern
6. Schwarze Johannisbeere wie bei vielen Rotweinen
Beim parallelen Verkosten mehrerer Weiß- und Rotweine lernen die Schülerinnen und Schüler dann später, die Aromen zu benennen – was mit jedem Glas mehr auch zu mehr Erheiterung führt.
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Erdbeere oder Brombeere? Weinaromen zu erkennen, kann man lernen. Foto: Anna Hirte/dpa-tmn
Was bringen Wein-Apps?
Wer bei einem Freund einen guten Wein getrunken hat, möchte diesen Genuss vielleicht wiederholen. Um die Flasche abspeichern zu können, gibt es Wein-Apps – einfach das Etikett scannen und fertig.
- Marc Almert findet die App Vivino (für iOS und Android) praktisch. «Damit kann ich Etiketts scannen, sehe Infos und Bewertungen und kann Favoriten speichern. So kann ich eine Sammlung aufbauen und meine Vorlieben herausfinden.»
- Mit der Lernapp Wein-Plus Glossar (für iOS und Android) lässt sich außerdem Wein-Wissen aufbauen.
- Mit Apps wie Kellermeister (für Android) und VinoCell (iOS) können Sammler ihren Weinkeller ordnen und verwalten.
- In der englischsprachigen AppCellartracker finden Sammler Rezensionen zu drei Millionen Weinen (für iOS und Android).
Welche Weine sind derzeit am teuersten?
Ganz oben stünden derzeit legendäre Weingüter im Burgund, sagt Marc Almert. Für Top-Jahrgänge der Domaine de la Romanée-Conti bezahlen Sammler fünfstellige Beträge. Es geht aber noch exklusiver.
Das Auktionshaus Christie’s versteigerte eine Flasche Grand Cru des Château Pétrus, die zuvor 14 Monate auf der Weltraumstation ISS gereift war. Schätzpreis: 830 000 Euro.
«Teurer Wein wird komplizierter, aber für Nicht-Kenner nicht unbedingt leckerer», sagt Silvio Nitzsche. «Man muss sich intensiver damit beschäftigen und kann auch verunsichert werden.»
Mehrere Tausend Euro pro Flasche kosten auch die G-Max Rieslinge von Klaus-Peter Keller aus Rheinhessen. Die Nachfrage ist trotzdem so groß, dass die Flaschen – wie bei den Icon Wines aus Bordeaux und Burgund – nur wenigen Händlern in kleinen Zahlen zugeteilt werden.
Die meisten kauften solche Weine als Geldanlage, sagt Anja Schröder. Getrunken würden sie nur noch in exklusiven Oligarchen-Kreisen. «Was total schade ist.»
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