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5 Gründe, warum Sie alkoholfreien Wein probieren sollten

Berlin. 

Ein Glas Wein kann so schlimm nicht sein? Gehört das gepflegte Gläschen zum Essen nicht auch zur mediterranen Küche und Lebensart, die angeblich so gesund ist? Das glauben viele.

Dabei gibt es nicht nur gesundheitliche Gründe, um auf Wein zu verzichten. Oder den Konsum zumindest deutlich zu begrenzen. Auch die Alternativen ohne Alkohol werden immer besser. Schmeckt so ein Wein nicht wie Traubensaft? Dieses Vorurteil ist überholt.

Hier kommen fünf Gründe für alkoholfreien Wein:

1. Entzauberter Mythos: Es gibt kein gesundes Gläschen

Im Jahr 1991 ging die Nachricht um die Welt, dass Franzosen trotz Sahnesoßen, Stopfleber und fettem Käse deutlich seltener Herzinfarkte erlitten als Amerikaner. Der Grund sei das tägliche Glas Rotwein. Der Mythos vom gesunden Gläschen hält sich seitdem hartnäckig.

Doch 2018 ließ eine Studie, die in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht wurde, den Traum platzen.

«Das tägliche Glas Rotwein fördert die Gesundheit nicht», sagt Professor Helmut Karl Seitz, einer der renommiertesten Experten in der Alkoholforschung, der lange an der Uni Heidelberg wirkte.

Es stimme zwar, dass im Wein antioxidative Stoffe wie Flavonoide und Resveratrol steckten, sagt Seitz. Aber für eine Wirkung müsse man ihn literweise trinken. «Und dagegen stehen 200 Krankheiten, die durch Alkohol verursacht werden», sagt der Fachmann.

Natürlich gibt es viele Gründe für ein «gutes Glas Wein». Wein als kultiviertes Genussmittel passt zum geselligen Beisammensein. Doch den Körper interessiert das nicht. Für ihn ist Alkohol schlicht ein Zellgift. Reger Weingenuss schadet nachweislich der Gesundheit. Nicht nur langfristig, er ist etwa auch schlecht für den Schlaf.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät dazu, keinen Alkohol zu trinken. Es gebe keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum.

Das scheinen immer mehr Menschen verinnerlicht zu haben.

2. Wertewandel: Alkoholkonsum ist nicht mehr normal und cool

In Deutschland wird weiterhin gebechert: im Bierzelt, auf dem Volksfest, in der Kneipe. Aber nicht mehr so viel wie früher. Gerade unter jungen Menschen vollzieht sich ein Wandel: Alkohol gehört nicht mehr automatisch dazu – zu einem geselligen Treffen, zum Feiern, zum Leben.

Auch die Weinbranche beobachtet das veränderte Konsumverhalten. mehr Menschen greifen bewusst auf alkoholfreie Alternativen zurück», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI). «Die jüngere Generation trinkt tendenziell weniger Alkohol.»

Das zeigen Studien aus den vergangenen Jahren:

  • Die Zahl der Alkoholvergiftungen unter den 12- bis 18-Jährigen fiel 2022 auf ein Rekordtief, so die Kaufmännische Krankenkasse KKH. Komasaufen und Rauschtrinken sind nicht mehr angesagt.
  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) konnte 2016 zeigen, dass Jugendliche weniger und maßvoller Alkohol konsumierten als früher. Von einer «Anti-Exzess-Generation» sprach ein Jugendforscher. Auch ältere Menschen tranken schon damals weniger: Nur noch knapp ein Drittel tat dies regelmäßig, 2004 war es noch fast die Hälfte.
  • Aktuell trinken laut jüngster BZgA-Erhebung nur 6,9 Prozent der weiblichen und 12,4 der männlichen 12- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol, das heißt mindestens einmal wöchentlich. Im Vergleich zum Jahr 2004 haben sich die Werte mehr als halbiert.

Zwar nahm das Rauschtrinken nach der Corona-Delle zuletzt wieder zu. Aber es verharrt weiter auf einem deutlich niedrigeren Niveau als vor 20 Jahren. Ausschweifender Alkoholkonsum ist nicht mehr angesagt.

Der gesellschaftliche Wandel weg vom Alkohol ist Büscher zufolge auch keine Modeerscheinung, sondern ein längerfristiger Trend. Das gibt mehr Spielraum für alkoholfreie Getränkealternativen.

3. Kalorienbombe: Wein ist kein Light-Getränk

Wein hat nicht nur Alkohol, sondern auch viele Kalorien.

«Wein ist kein Diätgetränk», sagt Andreas Slepitzka, der in München Weinseminare gibt. Welche Weinsorte man wählt, ist dabei egal. Trockene und restsüße Weine haben gleich viele Kalorien.

Auch hierfür spielt der Alkohol eine entscheidende Rolle, vor dem Restzucker, der zu den Kohlenhydraten zählt.

«Im Wein stammen die Kalorien in erster Linie aus dem Alkohol», sagt Helmut Seitz und rechnet vor: Ein halber Liter Wein mit etwa 12 Volumen Prozent Alkohol enthält ca. 50 g reinen Alkohol. Ein Gramm Alkohol liefert rund 7,1 kcal. So kommt man auf 350 Kalorien.

Alkoholfreier Wein ist in aller Regel das leichtere Getränk und passt zum Megatrend eines zunehmend gesundheitsbewussten Lebens.

«Die Nachfrage nach kreativen, qualitativ hochwertigen und alkoholfreien Getränken steigt», resümiert Trendforscherin Hanni Rützler vom Zukunftsinstitut in ihrem Food Report 2025.

4. Qualität: Alkoholfreier Wein kann richtig gut schmecken

Gesundheitlicher Vorteil hin oder her. Wenn alkoholfreie Alternativen nicht schmecken, werden sie auf wenig Gegenliebe stoßen.

Alkoholfreier Wein kämpft gegen Vorurteile: Pappsüß wie Traubensaft soll er schmecken und nichts mit richtigem Wein zu tun haben. Was vor einigen Jahren noch zutraf, ist heute überholt.

Alkohol sei zwar ein wichtiger Geschmacksträger, sagt Yvonne Heistermann, Präsidentin der Sommelier-Union Deutschland. Er verstärke die Aromen. Doch im Markt für alkoholfreien Wein habe sich einiges getan. «Vor fünf Jahren hätte ich auch gesagt, ich trinke lieber eine Traubensaftschorle als einen alkoholfreien Wein.» Mittlerweile gebe es allerdings sehr gute Produzenten.

Auch Ernst Büscher weist auf die deutliche Qualitätssteigerung hin, die alkoholfreier Wein durchlaufen hat. «Inzwischen kommen die Sorten dem klassischen Weingeschmack immer näher», sagt er.

Bessere Verfahren, höhere Qualität

Um alkoholfreie Weine herzustellen, muss zunächst ein Wein hergestellt werden, dem danach der Alkohol wieder entzogen wird. Entscheidend für den Genuss ist die Qualität des Grundweins.

«Durch verbesserte Entalkoholisierungsverfahren gelingt es, die komplexe Aromenstruktur des Weins weitgehend zu erhalten», erklärt Büscher. Moderne Technologien wie membranbasierte Verfahrensschritte, die ganz ohne Erhitzung auskommen, verringern Aromaverluste.

Die neue Qualität scheint viele zu überzeugen: Wein ohne Alkohol ist zwar längst noch nicht so bekannt und populär wie alkoholfreies Bier. Aber seine Beliebtheit nimmt zu.

Das DWI schätzt den Marktanteil zwar nur auf 1,5 Prozent. Doch 2024 wurden 86 Prozent mehr Flaschen verkauft als im Jahr zuvor. Die Wiederverkaufrate legte um 23 Prozent zu. Aus Sicht der Branche ein Indiz, dass die verbesserte Qualität beim Verbraucher ankommt.

Offenbar gilt: «Gerne wieder» statt «einmal und nie wieder».

Ein weiteres positives Zeichen sei, dass alkoholfreier Wein oft ergänzend zum alkoholhaltigen Wein gekauft werde. «Der klassische Weintrinker entscheidet sich beispielsweise unter der Woche oder zu bestimmten Anlässen dafür, keinen Alkohol zu trinken», sagt Büscher. Und bietet seinen Gästen zum Essen auch alkoholfreie Alternativen an.

Alkoholfreier Wein spricht darüber hinaus viele Menschen an, die bislang keinen Wein oder Alkohol getrunken haben.

Gut zu wissen: Nur Weine mit maximal 0,05 Volumenprozent Alkohol dürfen «alkoholfrei» heißen. Alle anderen alkoholfreien Weine bis 0,5 Volumenprozent tragen die Bezeichnung «entalkoholisiert».

5. Alkoholfreie Weine passen auch zum Essen

Alkohol ist ein wesentlicher Geschmacksträger. Muss es zu einem leckeren Essen daher nicht ein richtiger Wein sein? Nicht unbedingt. Zu vielen Gerichten passen alkoholfreie Varianten gut.

Alkoholfreie Weine sind von Haus aus eher leicht. Ob sie an einen alkoholhaltigen Wein herankommen, hängt von der Speise ab.

  • «Je komplexer und kräftiger ein Gericht, desto schwieriger werden es entalkoholisierte Weine im direkten Vergleich zu alkoholhaltigen Weinen haben», sagt Yvonne Heistermann. Büscher dazu: «Bei sehr gehaltvollen, fettreichen Speisen stoßen sie an ihre Grenzen.» Zu einem Steak mit konzentrierter Jus also lieber einen klassischen Rotwein servieren.
  • Bei leichteren Gerichten harmonierten alkoholfreie Weine dagegen hervorragend, sagt Büscher. «Beispielsweise passt ein alkoholfreier Roséwein sehr gut zu Gerichten mit Tomatensauce.»

Weinhändler und Restaurants können Vorreiter sein, ihre Kundschaft mit alkoholfreien Alternativen vertraut machen und beraten.

Aber: «In der Branche gibt es teilweise noch erhebliche Vorbehalte gegenüber alkoholfreiem Wein», berichtet Büscher. «Der Imagewandel verläuft langsam, aber langfristig werden sich weder Winzer noch Gastronomen dem Thema entziehen können.»

Experimentierfreudig ist die Spitzengastronomie. Sie setzt vor allem auf sogenannte Proxy-Weine, um für ihre Menüs komplette alkoholfreie Getränkebegleitungen anbieten zu können – ohne auf die geschmackliche Komplexität eines traditionellen Weins zu verzichten.

Proxy-Weine sind keine entalkoholisierten Weine, sondern aromatisierte Getränke auf der Basis etwa von fermentierten Säften, Tee-Extrakten, Essenzen, Essig, Gewürzen und Kräutern. Ziel ist ein stimmiges, komplexes, weinähnliches Getränk ohne Alkohol.

Die preisgekrönte alkoholfreie Getränkebegleitung im Berliner Zwei-Sterne-Restaurant Horváth kann schon mal einen Mix aus Molke, Leindotteröl, Meerrettich und Honig umfassen.

Manche sehen in Proxy-Weinen einen gelungenen Ersatz für klassische Weine. Andere stören sich schon am Begriff – und argumentieren, man solle doch lieber von Säften als Weinen sprechen.

Am Ende ist das, wie so oft, Geschmackssache.

4 comments

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Sophie Wagner

Wirklich interessante Neuigkeiten

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Jonas Fischer

Sehr informativer

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Leon Hoffmann

Super, freue mich auf mehr

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Leon Hoffmann

Super verständlich aufbereitet

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