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„Nein heißt nein“ – wie ich als Frau sexuelle Belästigung erleben musste

Region. 

Gewalt gegen Frauen ist ein Problem. In Deutschland ist jede dritte Frau von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen (1). Zwei von drei Frauen erleben sexuelle Belästigung. 25 Prozent aller Frauen erleben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft (1). Laut BKA (Bundeskriminalamt) wurden im Jahr 2023 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten, was einem Anstieg von 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht (2).

Wer sind die Tatverdächtigen?

Das BKA (3) informiert, dass der Großteil der Tatverdächtigen bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer der «Fallgruppe Sexualstraftaten» männlich ist. Bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen liegt ihr Anteil bei 98,9 Prozent. Auch bei sexueller Belästigung machen männliche Tatverdächtige 98,7 Prozent aus. Im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen ab 14 Jahren beträgt ihr Anteil 95,5 Prozent (3).

Sexuelle Belästigung findet überall statt

Sexuelle Belästigung ist eine Form von Gewalt, die überwiegend Frauen betrifft und in erster Linie dem Ausdruck oder der Durchsetzung von Macht dient (1). Auch Männer können betroffen sein, wobei das seltener vorkommt. Es ist ein Verhalten, das eine andere Person herabwürdigt, bedrängt oder ihr Unbehagen bereitet – unabhängig davon, ob es absichtlich oder unabsichtlich geschieht. Entscheidend ist dabei, dass die betroffene Person das Verhalten als unerwünscht empfindet. Das kann in verschiedenen Formen auftreten:

  • Anzügliche, zweideutige, sexistische Bemerkungen
  • Aufdringliche Blicke oder Gesten
  • Ungewollte Berührungen
  • Unerwünschte Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt
  • Unerwünschte Nachrichten mit sexuellem Inhalt
  • Körperliches Bedrängen oder Angrapschen (vor allem im Brust- und Pobereich)

 

Mein «Nein» wurde mehrfach nicht akzeptiert

Ich teile nun meine Erfahrung mit sexueller Belästigung. Innerhalb von nur zwei Monaten wurde ich dieses Jahr gleich zweimal belästigt. Das waren keine Einzelfälle. Auch in meiner Vergangenheit kam es immer wieder zu Grenzüberschreitungen durch Männer.

Was wie ein ganz normaler Abend im Club begann, wurde plötzlich zu einer unangenehmen Begegnung mit einer Gruppe von Männern. Zunächst wurde ich beim Tanzen mehrfach, etwa fünfmal, von zwei Männern am Po berührt. Einer dieser Männer griff zusätzlich an meine Taille und packte mich an meiner Schulter fest. Als meine Freundin und ich daraufhin den Raum wechselten, wurde uns jedoch gefolgt und nachgestellt. Beim Tanzen kam einer der Männer erneut von hinten auf mich zu und machte dabei eindeutige, grenzüberschreitende Bewegungen. Daraufhin entfernten wir uns erneut. Kurz darauf näherte sich ein weiterer dritter Mann aus der Gruppe und ich sah mich gezwungen, ihn wegzuschubsen, um meine Grenzen zu verteidigen.

Später versuchte ein anderer vierter Mann immer wieder, uns anzubieten, uns nach Hause zu fahren. Wir lehnten höflich ab, doch trotz mehrfachen und klaren Nein-Sagens hörte er nicht auf. Als ich mich von ihm abwandte, packte er plötzlich mein Kinn und versuchte, meinen Kopf zu sich zu drehen.

Auf dem Heimweg ging es weiter. Ein Auto näherte sich in unsere Richtung und stoppte auf unserer Höhe. Es war erneut die besagte Männergruppe. Sie riefen uns etwas zu, wir ignorierten diese Provokationen und ich verabschiedete mich mehrfach mit einem lauten «Tschüss», in der Hoffnung, dass sie uns einfach in Ruhe lassen. Daraufhin fuhren sie weg, kehrten aber nur wenige Meter weiter auf der Straße um und fuhren zurück in unsere Richtung. Das war der Moment meiner Panik. Mir schossen plötzlich fürchterliche Gedanken durch den Kopf, weil ich mich in diesem Moment hilflos fühlte. Ich wollte aus Angst wegrennen. Glücklicherweise fuhren sie «nur» an uns vorbei – begleitet von einem letzten, spöttischen Luftkuss aus dem Fenster – und entfernten sich endlich.

Ich habe in dieser Nacht nichts getan, außer freundlich zu sein. Ich habe gelächelt und trotzdem wurde das als Einladung verstanden. Diesen Abend vergesse ich nicht so schnell.

 

Wie fühlt man sich dabei?

Verängstigt, gelähmt, klein, sauer und angewidert. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber es ist definitiv kein schönes Gefühl – im Gegenteil. Die Vorstellung, als Objekt betrachtet zu werden, macht mich wütend. Täter haben für wenige Minuten ihren Spaß oder nutzen ihre Macht, während Opfer vielleicht noch Tage, Monate oder sogar Jahre damit kämpfen.

Die Schuld liegt nicht bei Frauen

Aus diesem Grund ist es wichtig zu erwähnen, dass sexuelle Belästigung nicht die Verantwortung der betroffenen Person ist. Dennoch passiert genau das oft: Frauen beginnen ihr Verhalten, ihre Kleidung oder ihre Körpersprache zu hinterfragen – als müssten sie etwas ändern, um nicht zur Zielscheibe zu werden. Doch diese Schuldumkehr ist Teil des Problems. Die Verantwortung liegt ausschließlich bei den Tätern.

Nein heißt Nein.

Nein, meine Kleidung ist keine Einladung!

Nein, mein Lächeln ist keine Einladung!

Nein, heißt Nein. Und auch ohne ein klares «Nein» ist nicht alles ein «Ja». Kleidung, ein Lächeln, ein Gespräch – all das sind keine Einladungen zu Grenzüberschreitungen. Der Versuch, vermeintliche Signale zu deuten, wird viel zu oft als Rechtfertigung genutzt. Doch keine Frau muss sich dafür rechtfertigen, wie sie sich kleidet oder bewegt. Respekt ist nicht verhandelbar.

Noch immer habe ich Hoffnung auf Veränderung

Trotz allem glaube ich daran, dass Veränderung möglich ist. Menschen sprechen über dieses Thema, vernetzen sich, teilen Erfahrungen und machen auf das Problem aufmerksam. Und weil auch Männer anfangen, Verantwortung zu übernehmen und hinzuschauen.

Schweigen brechen

Was passiert ist, lässt sich nicht rückgängig machen – aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es hilft, darüber zu sprechen. Gespräche mit Freundinnen und Freunden, der Familie oder dem Partner, ebenso wie professionelle Angebote wie Beratungsstellen oder therapeutische Hilfe können dabei eine wichtige Unterstützung sein.

Erste Hilfe bieten auch Hilfetelefone, die telefonisch oder online erreichbar sind:

Für Frauen: Das Hilfetelefon «Gewalt gegen Frauen» ist rund um die Uhr und kostenlos unter der Nummer 116 016 erreichbar.

Für Männer: Das Hilfetelefon «Gewalt an Männern» bietet Unterstützung unter der Nummer 0800 1239900 – erreichbar montags bis donnerstags von 8 bis 13 Uhr sowie von 15 bis 20 Uhr, freitags von 8 bis 15 Uhr.

 

Quellen:

1 Hilfetelefon (Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben): https://www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon/zahlen-und-fakten

2 BKA (2024) – Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen: https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024/241119_PM_BLB_Straftaten_gegen_Frauen.html

3 BKA (2024) – Bundeslagebild «Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023»: https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/241119_BLBStraftatengegenFrauen2023.html

 

 

2 comments

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Leon Hoffmann

Exzellente Übersicht, sehr hilfreich

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Laura Weber

Super verständlich aufbereitet

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