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61.000 Mal auf denselben Aussichtsturm: Warum dieser Chemnitzer einfach nicht aufhört

Chemnitz. 

Mehr als 61.000 Aufstiege und insgesamt fast zehn Millionen Treppenstufen – bis jetzt. Frank Müller aus Chemnitz besteigt seit 15 Jahren mehrmals pro Woche den 30 Meter hohen Totensteinturm (offiziell Maria‑Josepha‑Turm) im Rabensteiner Wald – mit der festen Absicht, das bis zum letzten Tag fortzuführen.

Ein Notizbuch voller Superlative

Alle zwei bis drei Tage besucht der ehemalige Stahlbauingenieur den Aussichtsturm, egal ob bei Sonne, Sturm oder Schneegestöber. Ein Standard‑Training sind bei ihm 25 Runden – Stufen nach oben und wieder runter. Einmal im Monat werden es 50 Runden, einmal im Jahr sogar 100 – Pflichtprogramm. Macht im Schnitt 4 000 Aufstiege pro Jahr. Frank Müllers Notizbuch kennt keine Lücken, dafür Superlative: Seine Bestzeit steht bei 1:19 Minuten für einmal hoch und wieder runter – erreicht mit perfekter Technik und Handschuhen, um beim Abstieg über das Geländer zu gleiten. Der kälteste Aufstieg war im Februar 2012 bei minus 21 Grad. Im selben Jahr zeigte das Thermometer 38 Grad und selbst diese drückende Hitze hielt ihn nicht vom Aufstieg ab. Sein Notizbuch verrät auch: «Am windigsten war es am 10. Januar 2015 mit Windstärke 8.»

Bei 75.000 winkt die Ehrenbürgerschaft

Seit drei Jahren ist der 63-Jährige sogar ehrenamtlicher Turmpate, entfernt in Eigenregie zum Beispiel Graffiti und Aufkleber. «Die kritischste Zeit ist zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, da gibt es den meisten Vandalismus», weiß er mittlerweile. Der Ortsvorsteher von Grüna hat ihm ein Ziel gesteckt: 75.000 Aufstiege bis zum 70. Geburtstag – dann winkt die Ehrenbürgerwürde. «Ich liege gut im Plan», lacht Frank Müller, der 2004 erstmals auf den Turm stieg: 2007 trainierte er dort für eine Besteigung der Zugspitze, 2009 wurde das Bauwerk schließlich zum fixen Trainingspartner. Parallel kletterte er von 1997 bis 2012 intensiv in der Sächsischen Schweiz, seit 2007 auch in den Alpen. Außerdem bietet er als Mitglied des Natur‑ und Wandervereins Grüna seit zwölf Jahren geführte Wanderungen und Bergtouren an.

«Ich habe den Sinn nie hinterfragt»

«Viele denken, der Mann hat bestimmt keine Partnerin – so oft wie der hier ist», lacht Frank Müller. Doch seine Langzeitliebe unterstützt das Projekt mittlerweile: Sie sieht, wie gut es ihm tut. «Ich kann nicht sagen, ob ich heute ohne den Turm so fit wäre. Was ich sicher weiß: Auf der Plattform zu stehen, ist Balsam für die Seele.» Kein Wunder, dass er seinen 60. Geburtstag mit Freunden am Turm feierte und zur Feier des Tages sogar 24 Stunden auf der Plattform verbrachte. Auch das Feuerwerk an Silvester verfolgt er seit einigen Jahren nur noch vom Totensteinturm aus. «Ich habe nicht einen Tag den Sinn dahinter erfragt. Klar, für die Welt bringt es wenig, für mich umso mehr: Ich bleibe gesund, bin im Kopf frei und lerne tolle Menschen kennen.» Unter anderem in der Totensteinalm, wo er nach dem Training gerne mal für ein Bier einkehrt.

3 comments

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Leon Hoffmann

Top, gern mehr davon

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Anna Schmidt

Aktuelle Nachrichten, perfekt zusammengefasst

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Emma Schulz

Super verständlich aufbereitet

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